Pas de deux

1 Mord für 2 (Sleuth, USA 2007)

 

Es endet mit einem Schuss, einem Sturz in die Tiefe – doch ob der Mann, der mit verwinkelten Gliedern im Schacht des Aufzugs liegt, das einzige Opfer ist, bleibt dahingestellt. Vieles ist zu Bruch gegangen, in diesem gockelhaften Tanz der zwei Alphamännchen, diesem Duell der Worte, die messerscharf und ohne Rücksicht auf Verluste zwischen dem berühmten Schriftsteller Adrew Wyke und dem erfolglosen Schauspieler Milo Tindle, dem Liebhaber von Wykes Ehefrau, hin und her geflogen sind. Michael Caine und Jude Law gehen in ihren Rollen auf, dass es uns beim Zuschauen eiskalt den Rücken hinunterläuft. „It wasn’t just a game“, fällt einmal. „I thought it might amuse you.“ Doch ein solches Amusement, wenn es denn auf den Genuss hinausläuft, dem anderen seelische Wunden zuzufügen, lässt keinen wahre Sieger zu – der Blick in die Trostlosigkeit, den Horror in Michael Caines Augen, nachdem er sich seines Widersachers entledigt hat, lässt uns erahnen, dass da einer seines Lebens nicht mehr froh werden wird.

Die beiden Schauspieler haben mit ihrem Drehbuchautor, dem Literaturnobelpreisträger Harold Pinter, und Regisseur Kenneth Branagh, dem Shakespeare-Kenner, Anthony Schaffers Theaterstück Sleuth aus dem Jahr 1969 wiederbelebt; der Originaltitel („Schnüffler“) stellt eine liebevolle Referenz auf die klassische Kriminalliteratur dar. Der Stoff war schon 1972 von Joseph L. Mankiewicz als Mord mit kleinen Fehlern für die Leinwand adaptiert worden; in dieser Fassung spielte Laurence Olivier den gehörnten Ehemann und Michael Caine den Liebhaber, in der neuen Version hat Caine den Part des Älteren übernommen – ein netter Aspekt im Vergleich der beiden Filme. Die moderne Fassung kommt wesentlich kürzer und knackiger daher, die von diversen Kameras ständig überwachten Innenräume von Wykes Herrenaus werden darin zum clever bespielten Gefängnis als Spiegelbild der Seellandschaften der beiden Antagonisten.

Tindles Begehr ist, Wykes Zustimmung zur Scheidung von seiner Frau zu erlangen. Was sich daraus entwickelt, ist ein perfides Katz-und-Maus-Spiel voll intelligentem Wortwitz, stets mit dem kaum versteckten Ziel der gegenseitigen Erniedrigung. Um den Klassenunterschied zwischen ihnen zu betonen, macht sich Wyke immer wieder über Tindles angebliche italienische Abstammung lustig. „Someone told me your wife has a lover“, beginnt Tindle etwa, und Wyke pariert: „I never met him. He’s some sort of Italian. Called Tandouri or something.“ Und Tindle: „One of the Bombay Tandouris?“ Gleich darauf erkundigt sich Wyke abermals nach dem familiären Hintergrund seines Widersachers. Und dieser: „Me? Irish. Connemara. Spanish descent.“ Er zieht eine Spur seiner Abstammung bis nach Uganda. „My grandparents were slaves. My mother was a dark-eyed, dusky beauty.“ Und auf die Frage, ob er von ihr gestillt worden sei: „Oh sure, like a baby.“

Die Struktur des Theaterstücks mit seinen zwei Akten ist dem Film anzumerken, er setzt sie bewusst ein, indem im ersten Teil Wyke und im zweiten Tindle die Oberhand in der intellektuellen Auseinandersetzung von zwei brillanten Geistern zu behalten scheint. Die Einheit von Ort und Zeit, die Deckung zwischen Erzählzeit und erzählter Zeit – es geht um äußere Verkleidungen und das Vorschützen von Motivationen, um den Diebstahl von Juwelen, um echte und behauptete Schwäche und natürlich auch ebensolche Stärke, um den Versuch, dem anderen Angst einzujagen, sogar Todesangst. Als die beiden Männer an dem Punkt angelangt sind, an dem ihr „Spiel“ ausgeglichen zu sein scheint, umkreisen sie einander neuerlich wie Kampfhähne, die sich bereit machen für das alles entscheidende dritte Set. „A bottle of Chilean Chardonney is chilling in there this very moment“, offeriert Wyke dem jüngeren Mann die Vorzüge seines Gästezimmers, und mit einem tiefen Blick: „This would be your bedroom.“ Ein gemeinsames Leben, der gegenseitige intellektuelle Anreiz, Luxus und Reisen, ein eigenes kleines Theater für Tindle, ein Leben zu zweit, ohne Wykes Ehefrau und damit auch Tindles Liebhaberin. Aus dem Duell der Worte wird ein nicht minder gefährliches der Blicke; in ihrem Abtasten nach Schwachpunkten des jeweils anderen spielen Caine und Law mit ihren Augen und lassen darin tiefe Verletzlichkeit und dann wieder Aufbegehren und Trotz, unterdrückte Ängste und ebensolche Sehnsüchte aufflackern.

Schließlich beugt sich Wyke vor, um die Wange des anderen zu streicheln, Tindle stößt ihn zurück: „You’re a menace! You’r a cunt!“ Der Punkt ohne Wiederkehr ist erreicht. „Goodbye, darling“, meint Wyke knapp, als er Tindle niederschießt. Die Kamera bleibt auf seinem Gesicht, verharrt abermals auf seinen Augen. Darin ist alles zerbrochen, was noch auf eine Berührung von zwei Seelen hinauslaufen hätte können, darin ist endgültig abhandengekommen, was sich als menschliche Würde benennen ließe. Der Tanz zu zweit ist zu Ende, er hat ins Abseits geführt.