Mutterliebe

Alien – Das unheimliche Wesen aus einer fremden Welt (Alien, GB/USA 1979)

Aliens – Die Rückkehr (Aliens, USA 1986)

Alien 3 (USA 1992)

Alien – Die Wiedergeburt (Alien Resurrection, USA 1997)

Prometheus – Dunkle Zeichen (Prometheus, GB/USA 2012)

 

Eine Frau, Ellen Ripley, ist in ihrem Leben an einem Punkt angekom­men, an dem sie keinen Ausweg mehr sieht. Sie hat keine Kraft mehr, sich gegen ihr Schicksal aufzulehnen, sie hat sie sich den Kopf geschoren und sieht aus wie die Insassin eines Gefan­genenlagers. Und das ist sie auch, gestrandet auf einem Pla­neten, auf dem Gewaltverbre­cher kaserniert sind. Jetzt ist Ripley nur noch müde, sie muss erkennen, dass all die schier übermenschlichen Anstrengungen, die sie den Aliens in wiederholten Auseinandersetzungen entgegensetzte, um­sonst waren. In einem hochdramatischen Moment wird sie von einem der Monster in die Enge getrieben und hat den Tod schon vor Augen. Es kommt ihr ganz nah, doch es rückt ihr nicht zu Leibe und lässt ihr das Leben. Ripley schwant daraufhin Unheilvolles. Mit Hilfe eines Scans verschafft sie sich Klarheit, dass sie mit einem außerirdischen Embryo schwanger ist. Dass sie bei der Geburt des Monsters sterben wird, ist ihr natürlich klar. Alles, was ihr im Klimax von Alien 3 noch vor Au­gen steht, ist, die Brut, die sie in sich trägt, zu vernichten.

In der Natur gibt es Heuschrecken, die in Seen springen, weil die Würmer, die sie im Leib haben, in der nächsten Lebensphase Wasser brauchen. Ähnlich wie diese Parasiten, die die Kontrolle über ihren Wirt übernehmen, gehen die Aliens im Film vor, doch Ripley stemmt sich gegen dieses Schicksal in einem letzten Akt der Selbst­be­stimmung, in der ein­samen Entscheidung, das Monster, das in ihr heranwächst, mit in den Tod zu nehmen. Sie lässt sich von einem Gerüst aus in das rotglühende Flammen­lodern eines Hochofens fallen. Sie stürzt aus gro­ßer Höhe und hat die Arme ausgebreitet wie eine Gekreuzigte. Re­gis­seur David Fincher inszeniert die­sen Sturz in den Tod in Zeitlupe, als schier endlose Sequenez des Sterbens. Dabei gebiert Ripley das Alien. Ihr Brust­korb zerbirst, das Monster bricht aus ihr hervor, und in die­sem Mo­ment schlie­ßen sich Ripleys Hände darum. Sie hält das kleine, gei­fern­de, zischen­­de Alien fest, um ein Entkommen im letzten Moment zu verhindern, gleich­zeitig aber hält sie es wie eine Mutter ihr Kind und streicht über seinen Kopf wie über den eines Neuge­bore­nen: mit so etwas wie Resignation, mit so etwas wie Liebe.

Die wesentlichsten Szenen aus den in unterschiedlicher Qualität gelungenen mittlerweile vier Alien-Filmen, in denen Ripley auftritt, aber auch aus dem Prequel Prometheus, stehen in kausalem Zusammenhang mit diesem Opfertod aus dem dritten Teil. Schon in Ridley Scotts Alien, dem stilprägenden Ersteintrag in die Ästhetik der Saga und die inhärente Serienlogik, muss Ripley miterleben, wie zum ersten Mal eines der außerirdischen Monster aus dem Brustkorb eines Crewmitgliedes birst. Ein Facehugger aus einem Alien-Ei hat sich John Hurt aufs Gesicht geheftet und ihm unbemerkt seine todbringende Brut eingeflößt. Das hässliche Ding ist dann abgefallen und Hurt hat sich mit Heißhunger an den Esstisch gesetzt, in diesem Moment kommt die Szene mit den von innen nach außen brechenden Knochen, dem spritzen­den Blut und dem geifernden BabyAlien ganz und gar unerwartet und mit geradezu unerhörter Vehemenz. Als sie in Alien 3 selbst schwanger ist, weiß Ripley demnach, was ihr blüht, ihr Schicksal steht ihr glasklar vor Augen.

Das Dahingemetzel der gesamten Besatzungen nach dem Zehn-kleine-Negerlein-Prinzip stellt das Gerüst der Geschichte sämtlicher Teile dar, so auch in James Camerons Aliens. Darin musste Ripley erfahren, dass ihr das gemeinsame Leben mit ihrer Tochter durch Jahrzehnte im Hyperschlaf gestohlen wurde, konsequenterweise ist ihr die Rettung eines kleinen Mädchens als einziger Überlebenden einer von den außerirdischen Ungeheuern heimgesuchten Planetenstation ein Anliegen. Camerons Beitrag ist der bei weitem martialischste der ganzen Reihe, die Tagline „This time it’s war“ sagt alles. Mit einer kruden Mischung aus Maschien­gewehr, Pumpgun und Flammenwerfer zieht Ripley gegen die Alien-Queen ins Feld. Im Kampf Frau gegen Frau, Mutter ge­gen Mutter, steht sie im Finale des Films ganz allein der eierlegen­den Königin gegenüber und zerstört deren monströse Brut in einer Orgie aus Kugelsalven und Flammenstößen.

Es gibt eine Reihe von Szenen aus den anderen Alien-Filmen, die im Gedächtnis bleiben, allesamt einzigartige Höhepunkte des futuristischen Horrorkinos. In einem besonders schaurigen Moment im vierten, insgesamt weitaus schwächeren Teil Alien – Die Wiedergeburt sieht sich die geklonte Ripley mit missglückten Versionen ihrer selbst konfrontiert – sie wurde sozusagen zur Mutter ihrer selbst. Abgestorbene, nicht lebensfähige Klone in allen Stadien der Entwicklung befinden sich in diversen Behältnissen in einem Labor, mit gefletschten Zähnen, Wasserköpfen, verkrümm­tem Rückgrat und groben Wundnähten, starren sie ihr aus toten Augen und verzerrten Fratzen entgegen und sind sie schaurige Zeugnisse der frankensteinartigen Experimente, die mit ihrem Erbgut vorgenommen wurden. Ein Ripleymonster, festgeschnallt und an allerlei Schläuchen hängend, mit einem monströsen Klauenarm und einem blutigen Einschnitt in der Brust, fleht sie unter unerträglichen Schmerzen an, sie von ihrem Leid zu erlösen: „Kill me!“ Dieser Anblick geht nicht nur Ripley nahe, sondern auch uns, unter Tränen verwüstet sie das Labor, das registrieren wir mit Erleichterung wie zwei Folgen zuvor ihr Wüten im Brutraum der Alien-Queen.

Und sogar Prometheus hält eine besonders starke Sequenz bereit. Ridley Scott ändert darin die Vorzeichen und realisiert in einer Spiegelung der Chestburster-Szene aus dem ersten Teil deren Gegenentwurf. Die Möglichkeiten von Noomi Rapace beim Handling der Lage sind ganz andere, hier sind, obwohl die Handlung ja als Sequel zur Reihe angesiedelt ist, progressivere technische Voraussetzungen vorhanden. Auch hier wurde die Heldin von den Außerirdischen infiziert, der Android David hat das eingefädelt. Rasend schnell wächst das Ungeheuer in ihr heran. In einem hochdramatischen Wettlauf gegen die Zeit führt sie mit Hilfe einer automatischen Operationsmaschine an sich selbst einen Kaiserschnitt durch. In einer Zange wird der sich windenden Alienwurm festgehalten, bis die Wunde wieder zugetackert ist. Die OP-Apparatur stellt ein vorläufiges Gefängnis für ihn dar, erst in einer späteren Szene wird er zu einem wahren Ungetüm herangewachsen sein und sie gesprengt haben.

So weit kommt es in Alien 3 nicht, hier bietet sich Ripley nicht einmal die geringste Möglichkeit eines Auswegs. Sie hat den sicheren Tod bei der Geburt vor Augen, und ihr bleibt nur der Selbstmord, will sie ein weiteres Ausbreiten der Spezies verhindern. Doch es ist nicht Angst, die sie einhüllt, als bestünde die Welt aus nichts anderem mehr, es ist keine Form von Furcht, die ihr so übermächtig erscheint, dass jeder Ge­danke an ein Entkommen aus dieser irrwitzigen Situation ihrer Schwangerschaft mit einem außerirdischen Embryo undenkbar wird. Hingegen hat sich Ripley großer Ruhe bemächtigt. Hier trifft ein geläuterter Mensch, eine Frau, die nichts mehr erschrecken kann, ihre ganz eigene, eigenständige Entschei­dung. In einem späteren Director’s-Cut begnügte sich Regis­seur David Fin­cher, der bei sei­nem ersten Filmprojekt mit einem ständig ge­änderten Drehbuch und Einmischungen durch das Studio zu kämpfen hatte, mit Ripleys Tod, die Geburtsszene aber schnitt er wieder heraus. Eine unverständliche Entscheidung, denn sie gibt der Alien-Reihe einen Moment des Verständnisses der psychologischen Tiefe ihrer Pro­tago­nistin, der schließlich nichts weniger als ersten Actionheldin der Filmgeschichte.