Crazy (Deutschland 2000)
„Ich heiße Benjamin Lebert, bin sechzehn Jahre alt und ein Krüppel. Nur damit ihr es wisst. Ich dachte, es wäre von beiderseitigem Interesse.“ So beginnt Crazy, der autobiografische Erstlingsroman und veritable Bestseller des mit dem Protagonisten namensidenten Autors, eine Coming-of-Age-Geschichte voll Wärme, Witz und Selbstironie. In der filmischen Adaption des Regisseurs Hans-Christian Schmid findet sich eine rührende Szene mit dem legendären Lied von Hildegard Knef, in dem sie sich einen Regen aus roten Rosen herbeisehnt: Das Internat Neuseelen, in das der halbseitig gelähmte Benni nach der Trennung seiner Eltern geschickt wird, der bereits fünfte Schulwechsel aufgrund schlechter Noten, die Freundschaft mit dem Mitschüler Janosch, die Gespräche über Mädchen und den Sinn des Lebens, der ins Handgreifliche eskalierende Streit wegen eines Mädchens, die Freuden und Nöte des Heranwachsens, all die Unsicherheiten, die Verwirrung und die Träume, schließlich sogar das erste Mal, auf einer Bank im Umkleideraum und aufgrund der Intensität der sexuellen Gefühle von nur sehr kurzer Dauer – dies alles von Robert Stadlober, Tom Schilling und den anderen jungen Darsteller*innen auf authentische Weise transportiert. Kein großer oder gar bedeutender, aber ein rundum sympathischer und irgendwie liebenswerter Film mit einer Schlussszene, die wahrlich zu Herzen geht.
Die Aristotelesworte „Wir können den Wind nicht ändern, aber wir können die Segel richtig setzen“ – Wenn es um Bennis Zukunft geht, macht der Film sie wahr. Der Bursch hat das Klassenziel abermals verfehlt und muss die Schule verlassen, die Abschlussfeier bedeutet auch den Abschied von seinen neuen Freunden. Er sitzt mit den Jungen in der Küche zusammen, das hohe und heilige Versprechen, einander niemals zu vergessen wird beschworen, wenngleich es keiner von ihnen so recht glauben will. Da kommen drei Mädchen zu ihrer Gruppe und kündigen ihr Abschiedsgeschenk an. Zuerst noch kichernd, ein wenig verlegen und mit unsicherem Lachen, beginnen sie das Lied von den roten Rosen zu singen, auf Benni und seinen weiteren Lebensweg gemünzt: „Mit sechzehn sagte ich still: Ich will, will groß sein und siegen ...“ Dann stimmen auch die Burschen bei dem Wunsch für ihren Freund ein, dass ihm sämtliche Wunder begegnen sollten und ihm das Glück stets geneigt sei: „Es soll dein Schicksal mit Liebe verwalten.“
Meister Eckhart, der spätmittelalterliche Theologe und Philosoph, hat geschrieben: „Und plötzlich weißt du: Es ist Zeit, etwas Neues zu beginnen, und dem Zauber des Anfangs zu vertrauen.“ Diesen Zauber des Neuen, des Beginnenden erzeugt für Benni das Lied der Jugendlichen beim Abschiednehmen. Sie treffen nicht jeden Ton, doch sie sind so voller Sehnsucht ob des Möglichen, das ihnen im Leben noch offen stehen mag, und voll solch unschuldiger Zuversicht, dass das „Problemkind“ Benni, der sich einfach nicht fügen und nicht begnügen möchte, der siegen und schlichtweg alles oder nichts will, ganz still dasitzt – mit einem Lächeln im Gesicht, wie es jemand hat, dessen Seele sich von der Liebe anderer Menschen aufgefangen wähnt; um ihn, das wird in den letzten Momenten des Films klar, muss uns nicht bange sein.