Fight Club (USA 1999)
Sieben (Se7en, USA 1995)
Eine einsame Straße weit außerhalb der Stadt, eine verdörrte Ebene in kranken Gelbtönen, durchzogen von riesigen Strommasten, die Leitungen liegen darüber wie in gewaltiges Spinnennetz, darunter die beiden Polizisten David (Brad Pitt) und William (Morgan Freeman) zusammen mit ihrem Gefangenen, dem Serienmörder John Doe (Kevin Spacey); sie alle wartend. Auf einmal nähert sich auf der staubigen Landstraße ein Lieferwagen. William fährt ihm entgegen, David hält mit gezogener Pistole den Mörder in Schach. Durch einen Schuss in die Luft bringt William den Wagen zum Stehen, der Fahrer entpuppt sich als Bote mit dem Auftrag, ein Paket zuzustellen. William schwant Fürchterliches, der Schock ist ihm schließlich ins Gesicht geschrieben, als er des Inhalts ansichtig wird, während der irre Mörder mit gefährlich sanfter Stimme David zu umschmeicheln scheint: wie sehr er ihn bewundere, wie stolz er auf das Leben sein könne, das er sich mit seiner jungen Frau Tracy (Gwyneth Paltrow) aufgebaut habe. Und als David seinen Kollegen schon auf sich zulaufen sieht und ihn rufen hört, er solle seine Pistole wegwerfen, John Does schreckliche Erzählung von seinem frühmorgendlichen Besuch bei Tracy: „I tried to play husband. It didn’t work out. So I took a souvenir. Her pretty head.“
Does Serie von Morden unterliegt dem Parameter der sieben biblischen Todsünden, jene von Völlerei, Habgier, Trägheit, Wolllust und Hochmut bildeten die Ausgangslage für seine bisherigen Gewaltakte. „I envy your normal life“, meint er nun zu David. „It seems envy is my sin.“ Wobei er mit seinen nächsten Worten die Bestrafung durch David sicherzustellen versucht: „She begged for her life and for the life of the baby inside of her.“ David solle ihn richten, denn seine Rache entstünde aus der letzten der Sünden, aus Zorn. „If you kill him, he will win!“, warnt William seinen Partner in verzweifelter Eindringlichkeit, doch dieser kann schon nicht mehr klar denken, hat in seinem übergroßen Schmerz, der ganz nach Does Plan zur unbändigen Wut führt, nur seine dahin gemetzelte Frau vor Augen und schießt einmal, zweimal, mehrmals auf den Mörder.
Die interessantesten Charaktere in den Filmen des amerikanischen Regisseurs David Fincher sind keine strahlenden Helden, sie sind gebrochene Figuren, die scheitern im Aufbegehren gegen das Unweigerliche ihres Schicksals. Der Wahnsinn des Serienkillers hat David alles genommen, was ihm im Leben wichtig ist, er hat ihn dahingehend manipuliert, genau das zu werden, was er als Cop mit Ambitionen eigentlich bekämpfen wollte. Mit seinen düsteren Bildern schafft Fincher eine beklemmende Atmosphäre der Ausweglosigkeit und des Pessimismus, die gerade dadurch betont wird, dass sich David und seine Frau inmitten dieser ständig verregneten, apokalyptischen seelenlosen Großstadt verzweifelt an ihr kleines Refugium der Menschlichkeit klammern, der Killer Doe jedoch wie ein Marionettenspieler nur an ein paar Fäden ziehen muss, um diese ihre Hoffnungen zu zerstören.
In diesem Sinne ist auch Fight Club, vier Jahre später gedreht, zutiefst zynisch und menschenverachtend, aber nicht aus Selbstzweck, sondern deshalb, weil es die Gesellschaft ist, die von eben diesen negativen Qualitäten verseucht zu sein scheint und der der Film einen Spiegel vorhält. Der namenlose Protagonist (Edward Norton) verabscheut sein unauffälliges Leben zutiefst, findet jedoch ungeahnten Spaß daran und auf einmal auch an sich selbst durch die Bekanntschaft mit dem mysteriösen Tyler Durden, der von Brad Pitt verkörpert wird und einfach so ist, wie die Hauptfigur nie war und immer schon sein wollte: hart, cool, kompromisslos. Lebensüberdruss und Orientierungslosigkeit führen direkt in einen Kreislauf von Gewalt und Anarchie, der im völligen Chaos endet.
In der Schlusssequenz des Streifens, die mit der ersten Szene übereinstimmt, erkennt der Protagonist, dass Tyler nie existiert hat und er ein Teil seiner selbst ist. Die Prügeleien, die Gründung eines Kampfklubs für Männer, die sich in ähnlichen Sinnfragen gefangen sehen, der Plan, die Sitze von Kreditkartenunternehmen mittels Nitroglyzerinbomben in die Luft zu sprengen, um das Finanzwesen kollabieren zu lassen, all das entsprang der Imagination seines zweiten Ich. Als Ausdruck seiner multiplen Persönlichkeitsstörung kristallisierte sich Tyler zum Kondensator seiner unterdrückten Wünsche und Begierden. In einer Parkgarage verprügelt sich der Protagonist faktisch selbst, wobei Tyler die Oberhand behält. Eine Reihe von Rückblenden erhellt die Filmhandlung, wir erkennen, dass Tyler und der Protagonist tatsächlich nur eine Person sind. Später, vor der Glasfront eines Wolkenkratzers, kommt es zur direkten Konfrontation. „In the end, you will thank me“, ist sich Tyler sicher, doch der Protagonist lässt sich davon nicht mehr beeindrucken. „Don’t do this!“, warnt Tyler ihn, als er sich einen Revolver in den Mund schiebt. „We’re doing this“, antwortet der Protagonist und drückt ab, um sich, damit aber auch Tyler zu töten. Damit stellt er sich gegen die Zweifel, die Shakespeares Hamlet bezüglich eines Selbstmords plagen: „Nur dass die Furcht vor etwas nach dem Tode/vor jenem unentdeckten Land aus dem kein Wanderer wiederkehrt/den Willen irrt, dass wir die Übel, die wir haben/lieber tragen, als zu unbekannten fliehen.“ Tyler verschwindet mit einem klaffenden Loch im Hinterkopf, der Protagonist überlebt schwer verletzt, kann Tylers Tun aber auch nicht mehr aufhalten: Die Bomben in den umliegenden Wolkenkratzern explodieren, eine surreal anmutende Kakophonie der Zerstörung, die im Großen reflektiert, was sich im Kleinen, in der Psyche des Protagonisten, bereits vollzogen hat.
„Eine Splittergranate von Film“, die sich präzise zwischen die Schenkel von Hollywoodkommerz und Hochglanz schiebe und dort punktgenau zünde, hat die Zeitschrift „cinema“ Fight Club bezeichnet. Moral, Wahrheit, das Göttliche, das Dasein an sich – die Suche nach einem klar erkennbaren Lebenssinn erschien auch Friedrich Nietzsche nicht einfach: „Dass es keine absolute Beschaffenheit der Dinge, kein „Ding an sich“ giebt [sic!] – dies ist selbst ein Nihilism, und zwar der extremste.“ Nicht ganz so radikal sieht es der Polizist William in einem inneren Monolog am Ende von Sieben: „Ernest Hemingway once wrote, „The world is a fine place and worth fighting for.“ I agree with the second part.“ Im konsequenten Nihilismus des filmischen Kosmos von David Fincher ist das schon etwas.