Heroische Herzen

Gladiator (GB/USA 2000)

Königreich der Himmel (Kingdom of Heaven, USA/Spanien/GB/Deutschland 2005)

Troja (Troy, USA/Malta/GB 2004)

 

In Tennysons Gedicht „Ulysses“ blickt der titelgebende griechische Held auf ein Leben voller Gefahren und heroischer Taten zurück: „All times I have enjoy’d/Greatly, have suffer’d greatly, both with those/That loved me, and alone, on shore.“ Sein Hunger nach Wissen, nach Erkenntnis habe ihn angetrieben, doch auch der alte Mann wolle sich nicht dem Tode geschlagen geben: Denn es sei noch nicht zu spät, zu einem neuen Abenteuer und zu neuen Welten aufzubrechen. Judi Dench zitiert Tennysons Zeilen im Bond-Film Skyfall (2012) und spricht dabei vom Mut zum übergroßen Gestus, dieserm epischen Atem, diesen heroischen Herzen – womit der Bogen zum Historienkino des Ridley Scott gespannt ist.

Scotts Gladiator wurde mit fünf Oscars und weltweit mit Filmpreisen geradezu überhäuft. Die Opulenz und Genauigkeit der Ausstattung, die Leistungen in der Zeichnung der Figuren, die Eleganz der Inszenierung – tatsächlich bietet der Streifen Brillanz in allem, worin wir unsere Augen schweifen lassen können. Als Beispiel sei etwa der Mord an Kaiser Mark Aurel herausgegriffen. Durch den transparenten Stoff im Wind wehender Vorhänge sieht der alte Kaiser seinen Sohn Commodus näher kommen, seine Offenheit, was seine geplante Nachfolge durch einen anderen als das eigene Fleisch und Blut und daraufhin Roms Rückkehr zur Republik betrifft, zeugt von wahrem Mut, kostet ihn aber das Leben. Das Zusammenspiel zwischen Richard Harris und Joaquin Phoenix ist intensiv – Commodus’ Hadern mit unterdrückten Gefühlen, sein verletzter Stolz, die Eifersucht: „Why is this me you hate so much?“ Der Vater streckt dem Sohn die Hände entgegen, die Umarmung wird zu seinem Todeskampf. „I would butcher the whole world if you would only have loved me“, stößt Commodus hervor, dann erstickt er den Vater an seiner Brust.

In diesem Genre hat ein gewisses Quantum an Pathos durchaus seinen Platz. Commodus’ Rivalität mit Mark Aurels Ziehsohn Maximus (Russell Crowe in der Rolle seines Lebens) wird den ganzen Film bestimmen und erst in der Arena in Rom ihr Ende finden. Maximus tötet den Vatermörder im Zweikampf, ist aber selbst so schwer verwundet, dass es keine Hoffnung auf sein Überleben mehr gibt. Doch er stirbt in Frieden. Im Niedersinken sind seine Gedanken schon bei seiner einst hingemetzelten Familie, ist er mit seiner Frau und dem kleinen Sohn endlich wieder vereint. Eine Szenerie in verfremdeten Farben, schon nicht mehr von dieser Welt: ein wogendes Kornfeld, Maximus streicht mit der Hand übr die Ähren, indessen scheint sich sein Körper im Sterben über den blutigen Sand der Arena zu erheben: „You’re home.“

Edelmut versus abgrundtiefe Bösartigkeit, der rote Faden auch für Ridley Scotts zweites Monumentalepos Kingdom of Heaven. Orlando Bloom in einem dramatischen Kreuzzugsszenario und, wie bei Gladiator, inmitten der Intrigen und des Schlachtgetümmels intime Momente, die zu Herzen gehen. Eva Green spielt Sybilla, die Schwester von Balduin, dem leprakranken König von Jerusalem (Edward Norton unter einer goldenen Maske). Ihr Abschied vom sterbenden Bruder, die Erinnerung an den Sommer, als er sechzehn war und noch gesund: „You were a beautiful boy.“ Schließlich der Anblick des von der Krankheit zerfressenen Gesichts: das Grauen. Dieses Bild vor Augen, erkennt Sybilla bald auch bei ihrem kleinen Sohn, dem neuen König, die ersten Anzeichen der Krankheit. Er zeigt keinerlei Reaktion, als ihm heißes Siegelwachs auf die Hand tropft, eine spätere Untersuchung bringt die schreckliche Gewissheit. Doch sie will ihm das Schicksal ihres Bruders ersparen: „How long until he wears a mask? No kingdom is worth my son alive in hell.“ Und die tragische Konsequenz: Ein letztes Spielen mit einer Ritterfigur, ein letztes Streicheln, ein letztes Wiegen in den Armen. Und als das Kind eingeschlafen ist, träufelt sie ihm Gift ins Ohr.

Die Qualen einer Mutter, die Pein eines Vaters. Scott-Epigone Wolfgang Petersen, der die Regie von Gladiator ablehnte, pflanzt in den gewaltigen Aufwand von Troy, der Rekonstruktion der gleichnamigen Stadt und des damit konnotierten Krieges, eine Szene von menschlicher Eindringlichkeit, nämlich das Flehen eines Vaters um den Leichnam seines toten Sohnes. Es ist Nacht, und dem trojanischen König Priamos gelingt es, sich unbemerkt in das Lager der Griechen und dort ins Zelt des Helden Achill zu schleichen. Der grandiose Peter O’Toole (weißbärtig wie Richard Harris in Gladiator) trifft auf Brad Pitt, er erniedrigt sich auf ungeahnte Weise vor dem Feind, kniet sich vor ihn hin und küsst ihm die Hände: „I have endured what noone on earth has endured before. I have kissed the hands of the man who killed my son.“ Diesen Sohn, Hector (Eric Bana), hat Achill nicht nur im Zweikampf besiegt, sondern zudem, an einen Streitwagen gebunden, um die belagerte Stadt geschleift. Dass er ihn töten lassen könne, begehrt Achill gegen Priamos auf, doch dieser: Ob er tatsächlich glaube, der Tod mache ihm noch Angst? – „You’ve taken everything from me.“ Sein sehnsüchtigster Wunsch sei es, so Priamos, den Körper des Verstorbenen zu waschen und die vorgesehenen Gebete für ihn zu sprechen. Und sein Argument, das selbst Achilles’ Seele rührt: „Even enemies can show respect.“

Edle Helden, große Charaktere, heroische Herzen, Gänsehautmomente des Kinos.