Good Morning, Vietnam (USA 1987)
Da steht der Clown, dem einst das Publikum zu Füßen lag, steht auf der Bühne des Varietés und blickt in den leeren Zuschauerraum, aus dem kein Lachen dringt. In Rampenlicht (1952) ist Charlie Chaplins Calvero ein trauriger Spaßmacher, einst gefeiert, doch nun schon seit langem ohne Engagement. Die Figur offenbart einen Blick in Chaplins Seele, in der, so Richard Schickel, Autor des Dokumentarfilms The Life and Art of Charles Chaplin (2003), die ständige Angst wohnte, sich selbst überlebt zu haben und nicht mehr lustig zu sein. Nicht von ungefähr stirbt die Figur am Ende des Streifens und mit ihr die Ära des Stummfilms, die Chaplin, der ewige Tramp, wie kein zweiter geprägt hat.
Ein solch trauriger Clown, Nachfolger des legendären Pierrot mit seinem weiß geschminkten Gesicht und unerwiderter Liebe im Herzen, war auch Robin Williams, der Komiker, der in seinen besten Rollen selbst im Lachen einen Glanz von Traurigkeit in den Augen hatte. Wie kaum ein zweiter Darsteller seiner Generation verkörperte Williams das Tragische im Komischen, das Drama der Melancholie einer verletzten Seele, und dies zuweilen sogar in der Rolle von Mördern und Psychopathen. Die Titelfigur in George Roy Hills Garp und wie er die Welt sah (1982), die alles für ihre Familie tun will und doch so vieles falsch macht; der unkonventionelle Lehrer in Peter Weirs Der Club der toten Dichter (1989); der Arzt, der glaubt, die Schlafkrankheit besiegen zu können, in Penny Marshalls Zeit des Erwachens (1990); der erwachsene Peter Pan, der das Fliegen verlernt hat, in Spielbergs Märchenfilm Hook (1991); der Obdachlose auf der Suche nach dem Heiligen Gral in Terry Gilliams König der Fischer (1991); der sich aufopfernde Psychologe in Gus van Sants Good Will Hunting (1997); der einsame Stalker in Mark Romaneks Psychostudie One Hour Photo (2002); der Mörder im mitternachtsonnenhellen Alaska in Christopher Nolans Insomnia (2002) – eine Liste intensivster Kinoerlebnisse, nicht zuletzt aufgrund von Robin Williams’ Darstellung.
Und natürlich der Radiomoderator Adrian Cronauer in Barry Levinsons Good Morning Vietnam, ein Schandmaul am Mikrofon, das mit Zoten und Rock `n’ Roll seine Vorgesetzten provoziert, sich unter den Soldaten jedoch größter Beliebtheit erfreut. Auf schmerzhafte Weise, durch eine unglückliche Liebe zu einer Vietnamesin und die Freundschaft mit ihrem Bruder, der im Geheimen für den Vietcong arbeitet, muss Adrian lernen, dass die Wahrheit hinter der mediengerechten Präsentation eines Krieges wohl immer Abgründe hat, die einen aufrechten Menschen zu harten Entscheidungen zwingen können. Und inmitten dieser Dramatik, die Levinson auf wohltuend unaufgeregte, mitunter fast improvisiert wirkende Weise inszeniert, ein Lied, das erst 1967 aufgenommen wurde und somit im Grunde genommen gar nicht in den Handlungsverlauf von 1965, jedoch perfekt zur Stimmung des Films passt.
„What a Wonderful World“ – Adrian sitzt vor dem Mikrofon, zuerst erfolgt sein charakteristischer Morgengruß, dann setzt die Musik ein, Louis Armstrongs unverwechselbare Stimme, die von grünen Bäumen, roten Rosen, einem blauen Himmel und der „dark sacred night“ singt, vom Regenbogen, der Freundschaft zwischen Menschen und dem Heranwachsen von Kindern – schlichtweg von der Welt, wie wunderschön sie nun eben sei. Und währenddessen sehen wir die Kameradschaft unter den amerikanischen Soldaten, sehen die Vietnamesen auf ihren Feldern arbeiten, auf dem Markt Fisch kaufen und im Fluss ihre Wäsche waschen – und dann, unvermittelt und ohne jede Vorwarnung, die Bomben, die auf die Hütten hinter den Reisfeldern fallen, ein Dorf, das in Flammen aufgeht, dann eine Explosion in Saigon und blutige Sandalen; wir sehen, wie junge Männer von Militärpolizisten aufgegriffen, in einen Hauseingang geführt und dort kurzerhand erschossen werden, wir erleben eine Demonstration mit, die mit Gewalt aufgelöst wird. Und abschließend, in einem langsamen Schwenk über die vermeintliche Idylle eines Militärcamps am Ufer eines Dschungelflusses, die jungen Soldaten an ihren Waffen.
Einfach so, Szenen des Lebens aus einem Land, das zum damaligen Zeitpunkt schon seit Generationen nicht zur Ruhe gekommen ist. „Oh yeah“, raunt der traurige Clown gemeinsam mit Onkel Satchmo ins Mikro – auf den Lippen der Versuch eines Lächelns und in den Augen das verräterische Glitzern von Tränen. Irgendwann war es für Williams dann zuviel mit der Traurigkeit, mit dem Kampf gegen Alkohol und Depressionen: Im August 2014 nahm er sich 63-jährig das Leben.