Das Leben ist schön (La vita è bella, Italien 1997)
Schindlers Liste (Schindler's List, USA 1993)
Am Anfang stehen das Entzünden einer Kerze und der Kiddusch, ein Segensspruch zum Sabbat, am Ende legen Überlebende
und ihre Darsteller im Film gemeinsam Steine auf dem Grab jenes Mannes, der 1200 Jüdinnen und Juden vor dem Tod im Konzentrationslager bewahrt hat. „Whoever saves one life saves the world
entire“, versucht Itzhak Stern (Ben Kingsley) Oskar Schindler (Liam Neeson) zu beschwichtigen, als dieser schluchzend in seinen Armen zusammenbricht: Wie viele Leben er mit dem Wert seines Autos,
einer Anstecknadel oder all des Geldes, das er verschwendet habe, noch retten hätte können! Dazu diese todtraurige, dennoch süße und direkt ins Herz treffende Filmmusik von John Williams – Steven
Spielbergs Methode der Aufarbeitung des Holocaust ist die des emotional aufwühlenden Dramas. Spielberg beschreibt die Tragödie mit dem für ihn typischen großen emotionalen Gestus, setzt in den
Verlauf der Handlung jedoch auch immer wieder Details von einem bitteren Zynismus und einer verzweifelten Suche nach so etwas wie Menschlichkeit inmitten einer Umgebung, die jeden Gedanken an
eben diese Qualität aufgegeben zu haben scheint.
Wenn SS-Offizier Amon Göth (Ralph Fiennes, mit einer Brillanz wie später nie wieder) nach morgendlichen Dehnübungen vom Balkon seines Hauses mit Ausblick auf das von ihm befehligte Arbeitslager willkürlich Menschen erschießt; wenn er sich zerrissen zeigt zwischen dem schier unbändigen Begehren der Jüdin Helen (Embeth Davidtz), die in seinem Haus arbeiten muss, im nächsten Moment aber alle jüdischen Menschen als Ratten bezeichnet, wenn er Helen einerseits über die Haare, die Wange, die Brüste streicht und sie beinahe küsst, dann aber wütend auf sie einzuschlagen beginnt; wenn die Kinder des Lagers zur musikalischen Untermalung des Liedes „Mamatschi, schenk mir ein Pferdchen“ auf Lastwägen verfrachtet werden und im Transport in den Tod ihren Müttern zuwinken, es aber einem kleinen Jungen, Olek (Kamil Krawiec), gelingt, sich in der stinkenden Kloake unter den hölzernen Sitzen des Klos zu verstecken; wenn nackte Frauen im Baderaum mit angstgeweiteten Augen auf die Duschköpfe starren und dann in befreiendes Gelächter ausbrechen, als tatsächlich Wasser hervorkommt: Szenen von zuweilen fast unerträglicher Intensität.
Die Räumung des Krakauer Ghettos steigert Spielberg zur in manchen Momenten geradezu surreal wirkenden Ausdruckskraft eines expressionistischen Stummfilms. Schindler beobachtet die Szenerie auf dem Rücken eines Pferdes von einem Hügel aus. Da rennen Jüdinnen und Juden um ihr Leben, da werden andere in Reihen aufgestellt und abgeführt, da sterben wieder andere im Kugelhagel, da zählt das menschliche Leben tatsächlich nichts mehr. Inmitten des Chaos sehen wir immer wieder ein kleines Mädchen (Oliwia Dabrowska), das in seinem roten Mantel aus den Schwarzweißbildern des Films heraussticht. Wie unbeteiligt wirkt das Kind, und niemand scheint sich um sie zu kümmern, als sie schließlich ein Haustor öffnet, eine Wohnung betritt und sich unter einem Bett versteckt. Wir werden sie in einer späteren Szene wiedersehen, nachdem die Nazis mit Stetoskopen Wände und Zimmerdecken nach Versteckten abgehört haben und nachts Menschen aus einem Klavier und Schränken geklettert sind: Wie grelle Blitze erleuchten die Feuerstöße der Maschinengewehre immer und immer wieder die Fenster einzelner Wohnungen. Berge von Toten sind der Blutzoll dieser Nacht, und wir werden auch das kleine Mädchen in ihrem roten Mantel nochmals entdecken: als Leiche auf einer Schubkarre.
Ein stilistisches Element, mit dem Spielberg in aller Brillanz seiner Inszenierung dezidiert nicht arbeitet, ist Humor, das ist eben so gar nicht seine Sache. Den Holocaust mit Sarkasmus wegzulachen, bis er einem im Hals stecken bleibt, das ist schon Chaplin in Der große Diktator (1940), Ernst Lubitsch mit Sein oder Nichtsein (1942) und Mel Brooks mit viel derberem Humor in Frühling für Hitler (1968) auf geniale Weise gelungen; Roberto Benigni ist ihnen in Das Leben ist schön ein Geistesverwandter. Eine bitter-absurde Tragikomödie und berührende Vater-Sohn-Geschichte: Der jüdische Buchhändler Guido, dargestellt von Benigni selbst, seine Frau Dora (Nicoletta Braschi) und ihr kleiner Sohn Giosuè (Giorgio Cantarini) werden im Italien des Zweiten Weltkriegs in ein nationalsozialistisches Konzentrationslager eingeliefert. Ein simpler Tor, ein Jedermann, jedoch nur vordergründig unbedarft: Guido setzt im Lager alles daran, seinen Sohn vor der grauenvollen Realität zu bewahren. Er gaukelt ihm ein Spiel vor, dessen Regelwerk ziemlich kompliziert sei, aber genauestens eingehalten werden müsse; dem Sieger, so Guido, würde als Preis ein echter Panzer winken. Guido preist die perfekte Organisation des ständigen Schlangestehens und schweißtreibenden Arbeitsdienstes, er charakterisiert das Geschehen als Spiel „Mannschaft gegen Mannschaft“ und bezieht sich dabei auf die Trennung von Frauen und Männern, er übersetzt bewusst falsch vom Deutschen ins Italienische, um Giosuè nicht zu beunruhigen und lobt sogar die Klarheit, die durch das Eintätowieren seiner Lagernummer entstanden sei.
Dann steht das Kriegsende bevor, das Lager ist in Aufruhr und Guido sieht seine Chance gekommen, Kontakt zu Dora herzustellen. Er sucht und findet für seinen Sohn das perfekte Versteck, nur die großen Augen des Kindes blicken aus einem Sehschlitz. Er schärft ihm ein, diesen Unterschlupf unter keinen Umständen zu verlassen, verkleidet sich auf der Suche nach Dora als Frau, wird jedoch entdeckt und von einem Soldaten abgeführt. Und nun kommt dieser einzigartige Moment, als Guido, immer noch in seiner Verkleidung mit Kopftuch, im übertriebenen Stechschritt und das Gewehr des Soldaten im Rücken, an Giosuès Versteck vorbeischreitet. Er gibt den Hampelmann, dazu ein Klick-klack als musikalischer Kommentar, er zwinkert seinem Sohn mit einem breiten Grinsen zu, dieser erwidert das vermeintliche Zeichen der Verschwörung – der Weg zum Sieg im Spiel, so erscheint es ihm, ist in greifbarer Nähe. Dass der Vater um eine Ecke geführt und dort erschossen wird, kriegt der Kleine nicht mit. Am nächsten Tag wird er von den Befreiern des Lagers aufgelesen und in einem amerikanischen Panzer mitgenommen: im festen Glauben, das Spiel tatsächlich gewonnen zu haben.
Das Leben deines kleinen Buben, das Leben von so vielen im KZ: Am Ende von Schindlers Liste erfahren wir, dass es von den 1200 geretteten sogenannten „Schindlerjuden“ zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Films über 6000 Nachfahren gebe. Ein Leben retten und damit die ganze Welt.