Glauben an die Liebe

Jenseits von Afrika (Out of Africa, USA 1985)

 

Natürlich ist es diese Musik, sind es John Barrys majestätische Klänge, die uns über das afrikanische Buschland tragen und durch das Leben von Karen Blixen, der die einmalige Meryl Streep in Sydney Pollacks Oscarabräumer ihr Gesicht leiht. Als junge Frau flieht sie aus der Enge ihrer Familie in Dänemark und versucht, sich in Afrika eine unabhängige Existenz aufzubauen. „I had a farm in Africa, at the foot of the Ngong hills“, ist der erste Satz ihrer Memoiren Afrika, dunkel lodernde Welt (1937), auf denen der Film basiert. Die Autorin schlägt darin einen Ton der poetischen Verzauberung ihres mitunter doch recht mühsamen Lebens an, hinter den der weitere Verlauf ihres Buches in keiner Passage zurückfällt. Ihr Ehemann (auch Klaus Maria Brandauer war für einen Oscar nominiert) ist ihr untreu und wenig geschäftstüchtig; Karen ist auf sich allein gestellt und sieht sich gezwungen, die Kaffeeplantage selbstständig zu führen. Meryl Streeps Spiel bewegt sich zwischen der Hingabe in die Unzulänglichkeiten des Lebens und dem Aufbegehren gegen eben diese; ihre Karen Blixen ist sich der Grenzen bewusst, die eine Frau ihrer Zeit einengen, und versucht sie doch zu sprengen. Das ist es, was ihr letztlich trotz ihres Scheiterns, nachdem eine Feuersbrunst die gesamte Kaffeeernte vernichtet hat, die Hochachtung sowohl der englischen Siedler als auch der Einheimischen einbringt.

Doch im Grunde genommen geht es um nichts als die Liebe. Bereits in den ersten Momenten des Films erleben wir einen Sonnenaufgang über der Savanne mit, und Robert Redford alias Denys Finch Hatton, Lebenskünstler und Großwildjäger, zeichnet sich als Scherenschnitt davor ab. „He even took the grammophone on safari“, lässt uns Karen aus dem Off wissen: „Three rifles, supplies for a month and Mozart.“ Ganz klar, dass dieser Mann die Liebe ihres Lebens wird. „He began our friendship with a gift“, heißt es weiter. „And later he gave me another incredible gift. A glimpse of the world through God’s eye. And I thought: Yes, I see. This is the way it was intended.“

Worauf hier bereits angespielt wird, ist eine spätere Szene, zuvor kommt noch der eigentliche Beginn des Films mit der langsamen Zufahrt durch die afrikanische Steppe, die John Barrys Musik auf eine geradezu überirdische Ebene hebt. Dieser Score ist es auch, der aus dem Flug von Denys und Karen in einem kleinen Doppeldecker etwas ganz Besonderes macht: Wir lassen uns hineinfallen in die Magie dieser Bilder und ihrer musikalischen Untermalung, die viel mehr ist als bloß eine solche, wir schweben auf diese Weise über erloschene Vulkankrater und die grüne Savanne, über Herden von auseinanderstiebenden Gazellen und Schwärme von aufflatternden rosa Flamingos am Meer. Karen sitzt vor Denys, dem Piloten, und als sie mit der Hand nach ihm tastet und er die ihre ergreift, spiegelt sich in ihrem Gesicht das grenzenlose Staunen über die Wunder dieser Welt, die Sehnsucht nach dem Unendlichen und dem Unerfüllbaren, und sie weint vor Glück. Karen strahlt ein Gefühl aus „für das eigene Leben, seine Höhen, seine Tiefen, für das Ganze des Lebens, seinen unsichtbaren Bogen“, wie es der deutsche Schriftsteller Bodo Kirchhoff in seinem Roman Die Liebe in groben Zügen (2012) in einem anderen Kontext und doch auf so seelenverwandte Weise formuliert: „Wer bin ich, wenn ich liebe?“, das sei die Frage, Karen hat sie für sich bereits beantwortet: Als Liebende erst ist sie ganz sie selbst.

Denys wird kurz darauf bei einem Flugzeugabsturz ums Leben kommen. Bei seinem Begräbnis in den Ngong-Bergen spricht Karen über ihn und möchte schon eine Handvoll Erde in sein Grab werfen. Doch dann zögert sie und wendet sich von den anderen Europäern ab, und im Gehen fährt sie sich nach Sitte der Eingeborenen mit der Hand durchs Haar. Dass sich jeden Tag ein Löwe und eine Löwin auf dieser Grabstelle treffen würden, erfährt Karen, die ihre Farm schließlich aufgeben und Afrika verlassen muss, aus einem Brief. Das Löwenpaar habe von dieser Stelle aus einen guten Ausblick über die Ebene, mutmaßt Karen, und aus dem fernen Europa fragt sie sich: „If I know a song of Africa, of the giraffe and the African new moon lying on her back, of the plows in the fields and the sweaty faces of the coffee pickers, does Africa know a song of me? Will the air over the plain quiver with a color that I have had on, or the children invent a game in which my name is, or the full moon throw a shadow over the gravel of the drive that was like me, or will the eagles of the Ngong Hills look out for me?“

„Wie sprach man über Liebe?“, eine Frage, die abermals Bodo Kirchhoff in den Raum stellt, diesmal in seinem Roman Infanta (1990). „Über die handfeste, durch Mark und Bein gehende, ein ganzes Leben auf den Kopf stellende Liebe. In höchsten Tönen? In leisen Tönen? Im Plauderton? Andächtig? Oder gar nicht. Jenseits von Afrika trifft diese Entscheidung und spricht von der Liebe auf eine ganz eigene Art, in der Form eines romantischen Idealismus, der uns zu verzaubern weiß. Diese sanfte Wehmut, diese schwelende Melancholie, dieses betörende afrikanische Licht: Für Karen im Film stehen diese von ihren Emotionen getragenen Bilder für die Liebe und – trotz aller Enttäuschungen und Entsagungen – ihren unbedingten Glauben daran.