Manche mögen's heiß (Some Like It Hot, USA 1959)
Es gibt ja alle möglichen „Best of“-Listen, die Filme aus dem Blickwinkel unterschiedlichster Kriterien untersuchen, bewerten und reihen. Sei es, dass es um die gelungensten Dialogzeilen oder Oneliner geht, um die stärksten Performances oder die besten Streifen überhaupt –Kinofans sind meist ganz gierig darauf, von den Resultaten von Umfragen oder den Präferenzen der Autor*innen zu erfahren, ob sie den diversen Ergebnissen nun zufrieden zustimmen oder sie voller Entsetzen von sich weisen mögen. Dass Billy Wilders Komödienklassiker Manche mögen’s heiß einen der besten, wenn nicht vielleicht sogar den berühmtesten und meistzitierten letzten Satz aufzuweisen hat, steht aber wohl außer Frage.
Gern wird Billy Wilders berühmter Ausspruch zitiert, wonach es für einen guten Film dreier Voraussetzungen bedürfe: ersten eines guten Drehbuches, zweitens eines guten Drehbuches – und drittens eines guten Drehbuches. Der Exilösterreicher Wilder, der seine Karriere als Scriptautor begann und dann selbst auf den Regiestuhl Platz nahm, weil er mit der Umsetzung so mancher seiner Einfälle durch die Regisseure nicht zufrieden war, war insgesamt nicht weniger als einundzwanzig Mal für den Oscar nominiert. Mit Streifen wie Boulevard der Dämmerung (1950), Sabrina (1954), Zeugin der Anklage (1957), Das Appartment (1960) und Das Mädchen Irma La Douce (1963) schrieb er Filmgeschichte und setzte sich ganz nebenbei immer wieder in Form seines humorvollen Spiels mit Andeutungen und eindeutigen Zweideutigkeiten gegen die Einschränkungen der unter dem Namen „Hays Code“ geläufigen Zensurbehörde durch. Vorgeblich um die „gesunde und erbauliche Geisteshaltung“ soganannter Durchschnittsbürger besorgt, befassten sich diese Richtlinien mit der als moralisch gesichert angesehenen Darstellung von Gewalt, Sexualität und politischen Inhalten in amerikanischen Filmen. Sie galten zwischen 1934 und 1967 in ihrer Umsetzung als verpflichtend und stellten dabei gerade die kreativsten Köpfe unter den Filmschaffenden vor zum Teil unüberwindbar erscheinende Herausforderungen – man führe sich nur die Schwierigkeiten vor Augen, die Alfred Hitchcock in Psycho (1960) etwa mit seinem berühmten Mord unter der Dusche, aber etwa auch der Betätigung der Spülung einer Toilette hatte.
Männer in Frauenkleidern und das Spiel mit sexueller Identität und Geschlechterrollen waren Billy Wilders Stolpersteine in Manche mögen’s heiß. Der Film funktioniert auch heute noch als Travestieklamotte, die das Kunststück vollbringt, in keinem Moment über ihre Figuren, sondern immer mit ihnen zu lachen. Jack Lemmon und Tony Curtis sind auf der Flucht vor dem Mafiamob der soganannten „roaring twenties“ und tauchen im Fummel in einer Damenkapelle mit Marilyn Monroe als Sängerin Sugar unter. Wilder kostet mit seinem damals als subversiv empfundenen Humor die sexuell konnotierten Chiffren seines Narrtifs aufs Genüsslichste aus, die perfekt getimten Pointen dieser Screwball-Comedy fliegen schneller als die Kugeln der Mafiosi.
Im Laufe der sich überschlagenden Ereignisse verliebt sich der alte Millionär Osgood Fielding III. (Knautschgesicht Joe E. Brown) in den als Daphne kostümierten Jack Lemmon. Er macht ihr heftigste Avancen und schließlich sogar einen Heiratsantrag, der uns geradewegs in die fianle Szene des Films und in dieser zu einer Mondscheinfahrt im Motorboot bringt. Daphne gibt sich Mühe, ihren Freier abzuschrecken, doch Osgoods Liebe scheint grenzenlos zu sein. Dass er seine Mutter angerufen habe, erzählt er launig: Daphne dürfe ihr Kleid zur Hochzeit tragen. „She and I, we are not built the same way“, wehrt diese ab, darauf der Vorschlag des Millionärs mit den Schmetterlingen im Bauch, das Kleid doch einfach ändern zu lassen. „We can’t get married!“, wird Daphne nun deutlicher und beginnt sich auf Osgoods Frage nach dem Grund zu winden: „In the first place, I’m not an actual blonde.“ Dass Osgood diesen Einwand als nichtig abtut, liegt auf der Hand, auch der Umstand, dass Daphne Raucherin sei, ist für ihn kein Heiratshindernis. Und auch die Einschränkung, dass Daphne keine Kinder haben könne, tut er ab: „We can adopt some.“ Da geht der verkleidete Mann an seiner Seite aufs Ganze. Voller Verzweiflung reißt sich Daphne die Perücke vom Kopf und ruft: „I’m a man.“ Osgood grinst in der für ihn so typischen Weise und spricht die Worte, die Kinogeschichte gemacht haben: „Well, nobody’s perfect.“ Ein kurzer Seitenblick, ein Schulterzucken, und die Welt ist für ihn wieder in Ordnung. So kurz und prägnant und geradlinig, so „einfach“ geht es, wenn man weiß, wie ein Drehbuch zu schreiben ist.