Die Hölle in uns

Requiem for a Dream (USA 2000)

Trainspotting (GB 1996)

 

Natürlich ist das Ganze ekelhaft, dennoch entledigen sich Regisseur Danny Boyle und sein Hauptdarsteller, der damals noch junge und unbekannte Ewan McGregor, der Angelegenheit mit wunderbarer Eleganz. Es geht um den geplanten Drogenentzug von Mark, der sich in Edingburgh von einem High zum nächsten hangelt und die ganze Zeit nur davon redet, clean werden zu wollen. Die Deklinierung der Vorbereitungen gelingt perfekt, alles ist bereit, die Wohnungstür zugenagelt, Essen und Trinken und so sinnvolles Equipment wie Eimer für die unterschiedlichsten Verrichtungen sind bereitgestellt; was jetzt noch fehle, so erfahren wir von Marks Erzählerstimme, sei ein allerletzter Schuss, um die Schmerzen des Entzugs aufzufangen.

Schnitt zur wieder aufgebrochenen Tür, doch die Opiumzäpfchen, die der Dealer liefert, genügen Mark nicht, so macht er sich auf die Suche nach Stärkerem und gelangt dabei zur als solche bezeichneten „worst toilet in Scotland“. Das ist im wahrsten Sinne des Wortes ein Scheißhaus, ungustiöser kann man es sich nicht vorstellen, doch von Krämpfen geplagt, setzt sich Mark hin, und mit der Erleichterung dämmert ihm die Erkenntnis, dass zusammen mit so vielem anderen soeben auch die Zäpfchen seinen Körper verlassen haben.

Und dann dieser legendäre Moment, der mit gallig-schwarzem Humor einzigartig treffend zeigt, wozu ein Mensch in der Lage ist, wenn er etwas nur wirklich dringend nötig zu haben glaubt. Mark fischt in der trüben Brühe, und obwohl es ihn würgt, klettert er kopfunter in die Toilette. Doch bevor es uns vielleicht doch zuviel werden könnte, reißt Regisseur Danny Boyle das Ruder herum und die Situation ins völlig Absurde. Zu einer Mischung aus sphärischen Klängen und Fahrstuhlmusik schwimmt Mark durch klares Wasser, fließend sind seine Bewegungen, die gesamte Szenerie ist von der eingangs erwähnten eleganten Leichtigkeit geprägt. Mark findet die Zäpfchen und strebt daraufhin wieder dem Licht zu, klettert schließlich aus der Muschel ins wirkliche Leben zurück, wo er nun, wie er uns nüchtern mitteilt, tatsächlich bereit zum Entzug wäre.

Trainspotting, basierend auf einem Roman von Irvin Welsh und von Danny Boyle zwölf Jahre vor seinem großen Oscarerfolg Slumdog Millionaire in Szene gesetzt, funktioniert als bittere Satire der britischen Gesellschaft in den späten 1980er-Jahren. Mark und seine Kumpels verweigern sich der Arbeit und haben für das Leben der sogenannten Normalbürger nur Verachtung über. „There was no such thing as society and even if there was, I most certainly had nothing to do with it“, stellt Mark einmal fest und wendet sich damit gegen die egomane, profitgierige Phase der Thatcher-Ära. Dennoch hören die Freundschaft und der Zusammenhalt der Gruppe genau an dem Punkt auf, an dem es gilt, sich den nächsten Schuss zu besorgen, gegenseitiger Verrat und Betrug sind dann die treibenden Kräfte.

Das Lachen bleibt uns im Laufe des Films nicht nur einmal im Halse stecken, beim Betrachten von Darren Aronofskys Requiem for a Dream, einer Adaption von Hubert Selbys Romanvorlage aus 1978, kommt es erst gar nicht hoch. Das ist ein Film, der tatsächlich ziemlich hernimmt, dessen Zugriff man sich aber, auch wenn das abgedroschen klingen mag, einfach nicht entziehen kann. Erzählt wird der soziale Niedergang von vier Drogensüchtigen, das Setting ist Brighton Beach, eine Gemeinde von Coney Island in New York. Vor unseren ungläubigen Augen mischen sich realistische und surreale filmische Elemente mit der Verwirrung unserer eigenen Emotionen und geraten auf der Leinwand wie in unseren Köpfen zu einem wahren Delirium, einer Art von Trance, die nirgendwohin führen kann, das ist uns klar, als direkt ins Verderben.

Harry (Jared Leto) und sein Freund Tyrone (Marlon Wayans), Harrys Mutter Sara (die brillante Ellen Burstyn) und seine Freundin Marion (Jennifer Connelly) sind das unglückliche und unglückselige Kleeblatt. Wenn in der letzten langen Sequenz des Films ihre Träume zerplatzen und auch der trotzigste Selbstbetrug ihnen die Wahrheit nicht mehr zu verschließen vermag, bedient sich Aronofsky der für seine Arbeitsweise typischen Hip-Hop-Montage. Dabei zeigt er sich wiederholende Bilder in kurzen, immer schneller werdenden Schnitten und verbindet sie mit oft überlauten Geräuschen. Etwa 2000 Schnitte gibt es in Requiem for a Dream, das sind rund dreimal so viele wie bei einem üblichen Film, wobei man moderne Actionstreifen, an deren Schnittfolge das menschliche Auge zuweilen scheitert, wohl ausnehmen muss. Die sogenannte „Snorricam“, dem Akteur an den Bauch gebunden, bewegt sich im Verhältnis zu ihm nicht und erzeugt den Effekt von Schwindel und Orientierungslosigkeit, wenn der Charakter etwa herumläuft, er sich aber nicht zu bewegen, sondern stattdessen die Umgebung ihn zu umfließen scheint.

Sara, aufgrund ihrer Abhängigkeit von Schlankheitspillen in die Psychiatrie eingeliefert, wird zwangsernährt und mit Elektroschocks gequält und schlussendlich zu einer Marionette ohne freien Willen, Marion verkauft sich bei einer Gruppensexparty an vor Geilheit geifernde Anzugstypen, Tyrone schuftet im Arbeitsdienst und Harry, der sich das Heroin direkt in die offenen Wunden seines bereits schlimm entzündeten Arms gespritzt hat, wird dieser mit einer kreischenden Säge amputiert. Er imaginiert sich ein Treffen mit Marion auf dem Pier, doch dann löst sich ihre Gestalt in Luft auf und er kippt rücklings ins Wasser. Als er aufwacht, liegt er in einem Bett im Krankenhaus, und aus seinem dick verbundenen Armstumpf führen Schläuchen zu diversen Apparaturen. Krasser ist das Thema in der Kinogeschichte nicht dargestellt worden, die üblichen Trinkerballaden Hollywoods wirken dagegen wie Amateuraufführungen. Die Figuren sind durch die Hölle des Lebens gegangen, doch nun hat sie sich in ihr Innerstes gefressen und lebt dort einem rastlosen Parasiten gleich.