Taxi Driver (USA 1976)
Martin Scorseses Palmengewinner von Cannes ist der letzte Film, für den Hitchocks Lieblingskomponist Bernard Herrmann die Musik schrieb; sein treibender Score, zu dem das Taxi über die nassen Straßen des nächtlichen New York gleitet und dazu Rauch aus den U-Bahnschächten steigt, ist Cooleness pur, nur Ryan Gosling hat das jüngst in Drive nachvollziehen können. Der Fahrer des Taxis, Travis Bickle, dargestellt von Robert De Niro, ist vom Schmutz der Stadt angewidert, und als er die minderjährige Prositutierte Iris in der Gestalt der damals dreizehnjährigen Jodie Foster kennenlernt, macht sich in ihm die Obsession breit, sie aus diesem Milieu zu befreien. Die Erkenntnis, dass dies mit reichlich Gewalt verbunden sein wird, stellt sich ein, wenn wir ihn in der berühmten Spiegelszene beobachten.
Nach Paul Schraders Drehbuch haben wir Travis in seinen schlaflosen Nächten und ins Pornokino begleitet, wir haben seine unbeholfenen Annäherungsversuche an Betsy (Cybill Shepherd) verfolgt, die Wahlkampfhelferin eines Senators. Erst in der Szene vor dem Spiegel erkennen wir das Ausmaß an Frustration und Wut, die sich in Travis angesammelt haben. „Here you become aware that not only is Travis Bickle schizophrenic but he’s aware of his own schizophrenia”, schreibt Stephen Woolley, Produzent von Neil Jordans Nordirlandthriller The Crying Game (1992). Ohne Hemd, mit zwei Schulterhalftern hat Travis schon früher vor dem Spiegel seiner heruntergekommenen Wohnung posiert und das rasche Ziehen geübt. Jetzt trägt er eine Armyjacke und spricht mit der Imagination der Zuhälter und Gewalttäter, des Abschaums, von dem er die Stadt zu reinigen beabsichtigt. „I’m faster than you, you fucking sick“, provoziert er dieses Gegenüber. „I saw you coming, you fuck.“ Travis wähnt sich in einem Zwiegespräch: „You talking to me?” Und sein wachsender Hass ist geradezu greifbar, wenn er lauernd nicht zu wiederholen ablässt: „I’m standing here. You make the move.” Dann sitzt er in seinem Zimmer herum und liegt er in all seinem Weltschmerz auf seinem Bett wie ein brodelnder Vulkan kurz vor dem Ausbruch: „Here is a man who would not take it anymore.“
De Niros Ausdruck konzentriert sich auf seine Augen, und der Blick daraus kann uns wirklich Angst machen. Er geht mit seinen Emotionen sehr ökonomisch um, agiert reduziert in Gestik und Mimik, und gerade das Zurückhalten dessen, was in Travis schlummert, macht diese Momente so effektiv. Scorseses Regie ist kühl, einringlich und von analytischer Präzesion, umso stärker kommt dann der Ausbruch von Gewalt daher, wenn Travis in Militärlook und Irokesenschnitt, quasi als Amok laufender Punk, wider allen Erwartens nicht gegen den Senator ins Felde zieht, sondern gegen Iris’ Zuhälter Sport (Harvey Keitel als Prolo-Pimp, wie er im Buche steht). Am Ende des Films zeigt der schwer verletzte Travis mit dem Zeigefänger auf seine Schläfe, wie um die Polizei zum Schuss aufzufordern, dann zieht die Kamera über das Schlachtfeld, das er hinterlassen hat, einen blutigen Pfad aus toten Körpern. Mit dem Klima allgemeiner latenter Brutalität und Abstumpfung, denken wir als zeitverhaftetem Kontext nur an Vietnamkrieg und Watergate-Affäre, korrespondiert die psychische Deformation eines Verbrechers, der in Scorseses bitterer Ironie zum Helden wird: Travis wird von den Medien gefeiert, Iris’ Eltern halten ihn dankbar für den Retter ihrer Tochter. Hätten sie Travis bei seinem Zwiegespräch mit sich selbst vor dem Spiegel gesehen, wäre ihre Reaktion wohl anders ausgefallen.