Freezeframe der Legenden

Zwei Banditen (Butch Cassidy and the Sundance Kid, USA 1969)

 

Ich nehme mal an, dass die wenigsten diesen Film unter seinem deutschen Titel kennen, der originale Butch Cassidy and the Sundance Kid hat sich auch hierzulande durchgesetzt. George Roy Hills Hippie-Version eines Western, gedreht nach dem oscarprämierten Drehbuch von William Goldman und starbesetzt mit Paul Newman und Robert Redford, beschreibt das Leben der beiden Zug- und Bankräuber als sanfte Ballade zwischen Wehmut, Nostalgie und Galgenhumor. Die zwei Outlaws als liebenswerte Kerle, als Kumpels, wie man sie sich besser nicht wünschen kann, die Romantisierung von Banditen zu Legenden, die Inszenierung in einer Gelassenheit, einer Entspanntheit, die ihresgleichen sucht. Und dazu der Spannungsbogen: Eine Truppe von Kopfgeldjägern ist ihnen auf der Spur, die Flucht geht durch die Berge in Richtung Bolivien, der rettende Sprung von einer hohen Klippe stellt dabei einen vielzitierten Höhepunkt dar.

Begleitet werden die beiden von Sundance’ Freundin Etta Place (Katherine Ross) unter der Bedingung: „I’ll do anything you ask of me except one thing. I won’t watch you die.“ Kaum ist in einem Film ein Satz wie dieser gefallen, driftet klarerweise alles auf den darin heraufbeschworenen Moment zu. Doch bevor es dazu kommt, bevor Butch und Sundance gestellt werden und sie sich todesmutig auf ihre letzte Schießerei einlassen, gibt es das Lied von den Regentropfen.

Es ist früher Morgen, ein Farmhaus in einsam-idyllischer Umgebung, Sundance und Etta liegen noch im Bett. Da wird die junge Frau von Butch geweckt, der auf einem Rad vor dem Fenster hin- und herfährt. „Raindrops keep fallin’ on my head“, ist der Song, für den Hal David und Burt Bacharach ebenfalls mit dem Academy Award ausgezeichnet wurden. Eine Szenerie in weichem Licht und warmen Farben, geradewegs wie aus einem Flower-Power-Traum: Im wehenden weißen Kleid sitzt Etta auf der Lenkstange, Butch mit einer Melone auf dem Kopf steuert das Rad über Wiesen und unter Apfelbäumen hindurch. Er pflückt eine Frucht, sie beißen hinein und freuen sich sehr sichtlich ihres Lebens. Da setzt Butch Etta vor einer Scheune ab, sie klettert auf den Heuboden und hat von einer Luke aus einen Ausblick auf die Kunststücke, die er unter Zirkusmusikbegleitung alsbald auf dem Fahrrad vollführt: die Füße auf dem Lenker, mit dem Bauch auf dem Sattel liegend oder gleich rittlings – unweigerlich kommt es zum Sturz durch das Gatter eines Rindergeheges und zum bedrohlichen Blick eines Stiers im Sinne einer komischen Auflockerung. „I’m free – nothing’s worrying me“, versichert uns der Liedtext, während sich Butch und Etta wieder auf den Sattel schwingen und vor dem Bullen Reißaus nehmen.

Ein Moment des Loslassens und des Atemholens im Verlauf der Gaunerkarriere – schon bald werden sich die Probleme mehren, die Butch und Sundance sehr wohl in Sorge versetzten sollten. Sie gipfeln in der finalen Szene, als die beiden auf einem Dorfplatz in Bolivien gestellt werden. Hinter allen Mauern und auf allen Dächern sind Soldaten positioniert; Butch und Sundance, bereits verwundet, haben sich in einem Haus verschanzt. Es gibt noch freundschaftliches Hickhack bezüglich der Fähigkeiten des jeweils anderen und eventueller Auswanderungspläne für die Zukunft, dann stürzen die beiden mit gezogenen Revolvern ins Freie. Das Bild friert in exakt dem Moment ein, in dem der gegnerische Kugelhagel auf sie losbricht, die Schüsse sind noch eine Zeitlang zu hören. Der Augenblick wird wie eine Fotografie in Sepia festgehalten – dem Film geht es ja nicht zuletzt um die Bildung eines jener Mythen, die den amerikanischen Westen und seine Helden bis heute beherrschen. Das Lied von den Regentropfen stellt dabei ein unbeschwertes Zwischenspiel auf einem Weg dar, der mit Blut und Tränen gepflastert ist.