Wann hast Du mit dem Schreiben angefangen und was hat Dich dazu gebracht?
Ich schreibe, solange ich denken kann¸ und könnte ohne Schreiben nicht sein. Meine Ideen kommen entweder aus mir selbst, meinen Gefühlen, Ängsten
und Sehnsüchten, oder aus Beobachtungen aus meiner Umwelt, dem Kontakt mit anderen Menschen, aber auch mit Kunst, Fotografie, Filmen und Literatur. Ein wacher Mensch mit dem Drang zu schreiben,
wird dazu immer Anregungen finden.
Was bedeutet Dir am meisten beim Schreiben?
Dass es mir gelingt, die Bilder, die mir im Kopf herumgehen, in Worte zu fassen, in Szenen, in Gespräche, die dann, wenn man sie liest, Sinn machen.
Dass das alles dann zu einer Geschichte wird, die Leser nachvollziehen können. Dass die Gefühle, die ich durch meine Figuren auszudrücken versuche, die ich ihnen sozusagen mitgebe und die
mitunter eine Art Eigenleben entwickeln, nachfühlbar sind. Wenn das gelingt, wenn ich beim Lesen von Sätzen und Seiten, die ich geschrieben habe, das Gefühl habe, dass das etwas Wahres, etwas
Glaubwürdiges ist, dann ist mir etwas gelungen, und das macht mich dann wirklich froh.
Wie lange hast Du an deinen Romanen geschrieben?
Die Ideen gehen mir immer ziemlich lang, oft Jahre, im Kopf herum. Da gibt es dann Notizen en masse, oft auch recht genaue Planungen der Kapitel und
ihrer Inhalte. Wenn ich das Gefühl habe, jetzt passt es und auch der erste Satz steht, fließt die Geschichte eigentlich recht rasch aufs Papier. Der erste Satz muss stimmig sein, ich habe einmal
drei Jahre für einen ersten Satz gebraucht, aber passt er, dann habe ich in ungefähr zwei Monaten das Manuskript fertig (aber meine Bücher sind ja grundsätzlich keine allzu dicken; meistens
kriege ich von Lektoren die Anregung, doch das eine oder andere Kapitel noch dazuzuschreiben, was der Tiefe der Charakterzeichnungen oft ziemlich gut tut). Jedenfalls denke ich in der
Schreibphase fast nur an die Geschichte und träume auch davon - und bin dann echt erleichtert, wenn die Arbeit des Schreibens getan ist, die ich oft als extrem anstrengend empfinde.
Wie nahe sind Dir deine Figuren?
Wären sie mir nicht sehr nah, dann würde ich nicht soviel Herzblut aufwenden, um ihre Geschichten aufzuschreiben. Wobei keiner meiner Charaktere mit
mir gleichzusetzen ist; aber in vielen von ihnen steckt ein kleines Stück von mir, oder ein kleines Stück von dem, wie oder was ich gern wäre, so wie von anderen Menschen natürlich auch.
Gibt es Autoren oder Bücher, die Du als Vorbilder für Dich bezeichnen würdest?
Ich liebe die Bücher von so unterschiedlichen Autoren wie John Irving, Patricia Highsmith, Gabriel Garcia Marquez, Flannery O’Connor, Josef Holub,
Roald Dahl - aber sind das Vorbilder? Vielleicht die Präzision des Ausdrucks, die bewundernswerte Klarheit des Stils des schwedischen Jugendbuchautors Mats Wahl. Ich erinnere mich, dass ich als
Sechzehnjähriger zu Weihnachten ein Buch von Bodo Kirchhoff geschenkt bekommen habe, seine „Mexikanische Novelle“. Das hat mir fast den Boden unter den Füßen weggezogen – was Sprache auszudrücken
vermag! Ich möchte nicht überheblich klingen, aber Vieles, das als schwule Literatur herauskommt, ist mir zu platt. Faszinierende Ausnahmen stellen etwa „Ruf mich bei deinem Namen“ von André
Aciman oder „Der perfekte Kellner“ von Alain Claude Sulzer dar, „Eine italienische Liebe“ und „Sein Bruder“ von Philippe Besson haben mich auch sehr berührt, die Bücher von David Leavitt und
Peter Cameron stechen ebenfalls aus der Masse hervor. Ein ganz besonderes Buch ist auch Christine Wunnickes „Missouri“, die vielleicht traurigste und schönste schwule Liebesgeschichte überhaupt.
Und da sind natürlich auch deine Geschichten, Jana, und das sage ich ganz ehrlich, dass ich mich auf jedes neue Buch von dir freue: diese Ruhe, diese Gelassenheit, diese Beschreibung inniger
menschlicher Nähe ohne Kitsch.
Sommer, Natur, Jugendliebe, Filme … Welche Themen und Motive tauchen in Deinen Büchern noch/immer wieder auf?
Du nennst die wichtigsten, sie bilden sozusagen den Hintergrund für meine Geschichten oder haben mit Details zu tun. Mein großes Thema scheint aber
die Entscheidung zwischen den Möglichkeiten zu sein, die einem das Leben bietet. Das Gedicht „The Road Not Taken“ von Robert Frost schildert dieses Dilemma auf schmerzhaft-schöne Weise: welchen
Weg sollen wir einschlagen, den offensichtlicheren, leichteren, oder den „less taken“. Mein Roman „Damals ist vorbei“ schildert, wie zwei Männer versuchen, eine Entscheidung, die sie zwanzig
Jahre zuvor getroffen haben, rückgängig zu machen, was nicht so einfach ist, sobald auch andere Menschen davon betroffen sind und vielleicht sogar darunter leiden. Dieses Thema, den Mut zu
finden, zu sich selbst zu stehen und sich selbst treu zu sein, möglichst ohne andere allzu sehr zu verletzen, dieser „impossible dream“, wird auch der rote Faden meiner nächsten Bücher
sein.
Stammen die Titel Deiner Romane von Dir oder hat dort der Verlag mitgeredet?
Ich musste schon oft Diskussionen bezüglich meiner Titel erleben. „Damals ist vorbei“ hieß zum Beispiel eigentlich „Der Friedhof der Namenlosen“,
doch dieser Titel war dem Bruno Gmünder-Verlag zu düster. Bei den anderen Büchern konnte ich mich aber durchsetzen. Ich denke, dass Verlage mehr auf den Instinkt der Autoren hören sollten, denn
irgendwelche Marketingideen immer wieder zu kopieren, bringt nichts als Büchertische mit total austauschbaren Büchern.
Die Cover Deiner letzten beiden Romane zeigen Gemälde von Martin-Jan van Santen, die ich sehr passend finde. Kannst Du etwas zu dem Künstler und der Wahl der Bilder
sagen?
Die Auswahl der Covermotive geht in dieselbe Richtung wie die Titel, von denen ich vorhin gesprochen habe. Derzeit schauen alle skandinavischen
Krimis gleich aus, und auch sehr viele schwule Bücher ähneln einander wie ein Ei dem anderen. Die Models und Motive haben dann nichts oder kaum etwas mit der Geschichte des Buches zu tun; ganz
schlimm sind im Moment diese kopflosen Muskeltorsi, die in Mode zu sein scheinen. Völlig daneben empfinde ich auch leider das Cover meines Buches „Damals ist vorbei“ - diese beiden Coverboys
haben mit den Charakteren im Buch absolut nichts gemein. Aber mal sehen: Das Buch ist im Moment ausverkauft, vielleicht gibt es ja in einem anderen Verlag eines Tages eine Neuauflage mit einem
passenderen Cover. Was ich mich oft frage: Verstehen die Verlage nicht, dass niemand ein Buch, das so aufgemacht ist, ernst nehmen kann? … Zu Martin-Jan, einem wunderbaren niederländischen Maler:
Ich bin beim Surfen im Internet durch Zufall auf seine Homepage und die tollen Gemälde gestoßen und war hin und weg: Sie zeigen Szenen, Personen, Situationen, die direkt aus meinen Geschichten
stammen könnten. Wir arbeiten in diesem Sinne offenbar in zwei unterschiedlichen Medien auf einem sehr ähnlichen Level der Empfindungen. Jedenfalls habe ich ewig überlegt und mir dann ein Herz
genommen und Martin-Jan eine Mail geschrieben. Er hat sofort zugestimmt, dass wir seine Bilder als Covermotive verwenden dürfen. Ich bin froh, dass ich auch den Verleger von Himmelstürmer von
dieser Idee überzeugen konnte, die für den Verlag ganz neu und nicht erprobt war. „Eine ganz andere Liebe“ und „Narben“ sind ja in der Reihe „Junge Liebe“ erschienen, und ich denke, dass
Martin-Jans Coverbilder, die die Stimmung der Geschichten perfekt vermitteln, sie zu einer eigenständigen Einheit in dieser Reihe machen.
Deine Romane spielen in Österreich, (wie) beeinflusst dieses Land Dein Schreiben?
Ich bin im niederösterreichischen Waldviertel geboren und lebe und arbeite in der Region des Wald- und Weinviertels. Ich kenne die Kleinstädte und
Dörfer und Menschen hier, sie bilden das Umfeld für meine Geschichten. Ich kann nur beschreiben, was ich kenne, und ich denke, dass dieses genau geschilderte Setting einen Hintergrund herstellt,
der die innere Glaubwürdigkeit meiner Erzählungen und ihrer Figuren unterstützt. Was ich mir in Hinblick auf deutsche Verlage wünschen würde: Dass die Art und Weise, wie hier gesprochen und
geschrieben wird, das österreichische Idiom also, als gleichberechtigte sprachliche Variante des Deutschen mehr respektiert wird, als es jetzt der Fall ist. Ließe man die Lektoren so einfach
schalten und walten, würden meine Figuren im Weinviertel Norddeutsch sprechen. Das sind Knackpunkte im Prozess der Lektorierung, da kämpfe ich zuweilen um jedes Wort.
Ist das Schreiben für Dich Hobby, Beruf oder Berufung?
Laut Finanzamt ein Hobby, weil, wie Du sicher weißt, damit nicht viel zu verdienen ist. Ich habe einen Brotberuf, der mir Gott sei Dank sehr viel
Freude macht. Und Berufung? Das ist vielleicht zu pathetisch ausgedrückt. Ich schreibe, weil ich ohne Schreiben einfach nicht leben will und kann, und weil es mir ein unbändiges Wohlgefühl
bereitet, etwas, das als vage Idee in meinem Kopf begonnen und allmählich Gestalt angenommen hat, schließlich als etwas so Herrliches wie ein fertiges Buch in Händen halten zu dürfen.
Was wäre für Dich eine Grund, mit dem Schreiben aufzuhören?
Mit dem Schreiben: keiner. Mit dem Veröffentlichen: Wenn der Kampf mit den Windmühlen der veränderten Titel und Cover und der Sprache zu nervig
würde, dann schon. Ist aber im Moment Gott sei Dank nicht der Fall.
Ich mag es ja gerne, wenn Bücher mit Zitaten beginnen (das scheint aus der Mode zu kommen). „Eine ganz andere Liebe“ ist das Zitat
vorausgestellt: „You have no idea what I'd give to be normal“ (Du hast keine Idee, was ich dafür geben würde normal zu sein). Warum dieses Zitat?
Das sagt eine Figur in einem X-Men-Film, ich glaube, es ist der blonde Angel; das Problem, „anders“ zu sein (in diesem Fall eben ein X-Man),
macht ihm extrem zu schaffen, besonders der Umstand, dass ihn sein Vater nicht akzeptieren will, wie er einfach ist. Michael, einer der beiden Hauptcharaktere des Romans, mag Gedanken wie diesen
haben. Er ist seit Kindertagen mit Anna zusammen, sie ist seine Freundin, das Leben ist so, wie es sein sollte. Und dann ist da plötzlich dieser Junge, Daniel, in den sich Michael sozusagen auf
den ersten Blick verliebt. Ist es ein Wunder, dass er verwirrt ist? Und die Gleichung hetero = normal, das geistert ja immer noch in vielen Menschen herum. Für Michael ist es ein schwieriger
Prozess zu akzeptieren, dass er so ist, wie er eben ist, dass er Daniel liebt und deshalb wohl schwul ist – und dass das für ihn eben das Normale und gut ist … Übrigens habe ich „Narben“ ein
Zitat aus John Irvings Roman „In einer Person“ (darin geht es um einen bisexuellen Mann) vorangestellt: „Nicht jeder hier versteht Menschen wie uns.“
Am 15. März erscheint Dein neuer Roman „Narben“. Bist Du schon mit einem neuen Projekt beschäftigt? Was können wir als nächstes
erwarten?
Voraussichtlich Ende April/Anfang Mai soll die Novelle „Der Stammbaum“ im Verlag Homo Littera herauskommen, das ist mein literarisch bislang
anspruchsvollster Text. Für nächstes Jahr ist im selben Verlag „Die Hände meines Freundes“ geplant, ein Roman, der weiter ausholt und die Entwicklung seiner Protagonisten in Bezug auf ihr
Sich-Einlassen auf echte Liebe nachvollzieht. Und noch ein zweites Buch wird wahrscheinlich im kommenden Jahr herauskommen, etwas für mich ganz Neues, in dem ich meine beiden Leidenschaften, die
Literatur und den Film, zu verbinden versuche; an diesem Projekt arbeite ich aber noch. Dass diese Bücher jetzt in so rascher Abfolge erscheinen, hat den Grund, dass die meisten Manuskripte lange
Jahre in der Schublade lagen und kein Verlag sich dafür zu interessieren schien. Und dann, als ich schon fast die Hoffnung aufgegeben hatte, ging alles Schlag auf Schlag. Das macht mich sehr
glücklich.